Lokales

„S 21 stärkt die gesamte Region“

Befürworter des Bahnprojekts werben für ein „Nein beim Volksentscheid“ am Sonntag

Parteiübergreifend machen sich etliche Kirchheimer Kommunal-, Regional- und Landespolitiker für Stuttgart 21 stark. Für sie hängt an diesem Projekt die Zukunft Baden-Württembergs und der Region Stuttgart. Deshalb werben sie für ein „Nein beim Volksentscheid“.

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Stuttgart 21 - Plakat S 21S 21 BefŸrworter des Bahnprojekts mit Jimmy Zimmermann, Thilo Rose, GŸnther Riemer, Hagen Zweifel, Albrecht Braun

Kirchheim. Dr. Thilo Rose, der für die CDU sowohl im Kirchheimer Gemeinderat als auch in der Regionalversammlung sitzt, betont die Notwendigkeit, die Infrastruktur innerhalb der Region Stuttgart zu stärken: „Dazu dient Stuttgart 21.“ Dabei gehe es um eine Vernetzung der Wirtschaftsregion Stuttgart mit anderen Wirtschaftsregionen – nicht nur in Baden-Würt­temberg, sondern in ganz Europa. Der Kirchheimer FDP-Regionalrat Alb­recht Braun sieht das ganz genauso: „Es hängt nicht von uns ab, wie wir unsere Wirtschaftsregion einschätzen.“ Fördergeld fließe in die Regionen, die in Europa als zukunftsträchtig und förderwürdig eingestuft werden. Ohne Stuttgart 21 werde die Region gänzlich abgehängt.

Für den Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann geht es beim Volksentscheid um viel mehr als nur um einen Bahnhof in Stuttgart: „Wenn Stuttgart 21 nicht gebaut wird, ist es für die Stadt und für die Wirtschaftsentwicklung der gesamten Region fatal.“ Zur Begründung dieser Aussage schiebt er eine rhetorische Frage nach: „Welcher Investor würde noch Zeit und Geld aufbringen für eine größere Planung, wenn er damit rechnen muss, dass er trotz aller Zusagen hinterher doch nicht bauen darf?“ Generell fordert der CDU-Politiker ein Umdenken in der Region, wenn er mit Kassandra-Rufen vor wirtschaftlicher Selbstgefälligkeit warnt: „Wir haben keinen Schwerpunkt mehr. Deutschland und made in Germany, das steht schon längst nicht mehr im Mittelpunkt.“

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Kirchheimer Gemeinderat, Hagen Zweifel, fürchtet, dass auch der Volksentscheid am Sonntag keine Befriedung bringt. Allerdings hält er bereits den Ansatz des Volksentscheids für fragwürdig: „Hier geht es um einen Eingriff in den Staatshaushalt.“ Die Verpflichtungsermächtigungen für entsprechende Zahlungen seien im Landeshaushalt verankert. Wenn das Volk nun direkt über Etatfragen entscheiden könne, dann ist das für Hagen Zweifel „ein Aushöhlen der repräsentativen Demokratie“. Über einzelne Haushaltsangelegenheiten habe nämlich nicht das Volk zu entscheiden, sondern einzig und allein die vom Volk gewählten Vertreter in den Parlamenten.

Thomas Auerbach, der den Flyer der hiesigen Stuttgart-21-Befürworter gestaltet hat, bemängelt die fehlende Klarheit bei den Ausstiegskos­ten: Innerhalb weniger Tage seien diese Kosten von der Gegenseite in völlig unterschiedlichen Höhen angegeben worden – zwischen 350 Millionen und einer Milliarde Euro. Ihm geht es vor allem auch um Verlässlichkeit für die Bahn, die bauen möchte. Er vergleicht die Situation der Bahn mit der eines privaten Bauherrn, der über alle Genehmigungen für sein Einfamilienhaus verfügt und auch bereits mit dem Fundament begonnen hat, bevor dann seine Nachbarn kommen und den Bau verhindern wollen.

Albrecht Braun greift beide Punkte auf, indem er ehrlich zugibt, dass nicht nur die Ausstiegskosten kaum richtig zu beziffern sind, sondern auch die tatsächlichen Baukosten. „Aber da ist es eben wie beim privaten Häuslebauer auch: Es sind die zusätzlichen Verbesserungen, die es am Ende teurer machen.“

Grundsätzlich sieht Albrecht Braun übrigens auf beiden Seiten wichtige Argumente, die es zu bedenken gilt: „Natürlich gibt es auch auf der Gegenseite stichhaltige Argumente, aber die guten Argumente für Stuttgart 21 überwiegen.“ In unzähligen Untersuchungen, Abwägungen und Gedankenspielen zu Alternativen habe sich das jetzt geplante Projekt als die beste und sinnvollste Variante herausgestellt.

An dieser Stelle bringt Hagen Zweifel eine mögliche Alternative ins Spiel: Wenn die Trasse nicht über die Filder nach Wendlingen führt, dann müsse es einen Weg durch das Neckar­tal geben, also über Esslingen. Dabei würde aber ebenfalls wertvolles Land überbaut werden: „Das wäre nicht anders, da würde das Volk genauso dagegen protestieren.“ Die Protestbewegung kann Hagen Zweifel historisch ohnehin nicht nachvollziehen: „Unter diesen Umständen hätte es den Kopfbahnhof, für den sich jetzt die S-21-Gegner so einsetzen, gar nicht geben dürfen. Damals ist nämlich der halbe Schlossgarten dem Bahnhof zum Opfer gefallen.“

Das Argument, dass Stuttgart 21 zu einer Verschlechterung für die Kirchheimer S-Bahn-Anbindung führe, entkräftet Thilo Rose, der Mitglied im Verkehrsausschuss der Regionalversammlung ist, mit dem Hinweis auf einen beabsichtigten Linientausch, der im Mai – also nach dem Regierungswechsel – vom Verkehrsministerium angeregt worden sei. Dieser Linientausch habe mit S 21 überhaupt nichts zu tun.: „Die Schuld für die Verschlechterung liegt also sicher nicht bei den Befürwortern von Stuttgart 21.“

Weitere Argumente für Stuttgart 21 und für ihr „Nein beim Volksentscheid“ wollen die Politiker, die sich als Mitglieder einer parteiübergreifenden „Koalition der Vernunft“ sehen, auch bei ihrer Abschlusskundgebung austauschen, die am Samstag um 11 Uhr vor dem Kirchheimer Rathaus beginnt. Als Hauptredner haben sie Professor Stefan Faiß eingeladen, Mitglied der Grünen und Gründer der Gruppe „Juristen für S 21“.